Der R-Faktor der Gemeinde Jesu

In den letzten 2 Jahren haben wir uns ausgiebig mit dem sogenannten R-Faktor beschäftigt. Jeden Abend wurde er uns gemeinsam mit den Infiziertenzahlen in allen Nachrichtensendungen präsentiert. Schnell haben wir gelernt, dass das Ziel aller Maßnahmen sein muss, den R-Faktor unter die Zahl 1 zu drücken. Denn nur dann war gewährleistet, dass die Zahl der mit Corona infizierten Menschen nicht weiter anstieg. Geht die Zahl über 1, sagt das aus, dass jeder Kranke mindestens einen gesunden Menschen infiziert – es kommt zu einer exponentiellen Steigerung. Geht die Zahl unter 1, läuft die Pandemie langsam aus.

Was hat das aber alles mit dem Reich Gottes zu tun?

Eines Nachts wachte ich auf und ein Gedanke schoss mir durch den Kopf: Der R-Faktor der Gemeinde Jesu ist weit unter 1. Ich hatte eine Zahl mit 0,01 vor Augen.

Ich war erschrocken, weil mir durch die ständige Präsenz des R-Faktors sofort klar war, dass es hier zu keiner Ausbreitung des Reiches Gottes kommen würde. Mir war schon länger bewusst, dass der Anteil der wiedergeborenen Christen in Deutschland und Europa verschwindend gering ist, aber eine so kleine Reproduktion? Aber wenn die Zahl stimmt – und ich befürchte, dass es so ist – dann sollte uns das aufwecken. Oder haben wir uns bereits damit arrangiert, dass in vielen Ländern dieser Erde die Gemeinde Jesu wächst, sich das Reich Gottes ausbreitet, aber bei uns in Deutschland nicht? Viele Untersuchungen und Studien beschäftigen sich mit diesem Thema. Immer neue Marketingmaßnahmen sorgen schließlich dafür, dass gerade neue und junge Gemeinden wachsen, die Zahl der Gottesdienstbesucher zumindest bei diesen Gemeinden steigt. Bedeutet das, dass bei diesen Gemeinden der R-Wert über 1 liegt? Leider nein! Denn wenn das so wäre, würde die Zahl der Nachfolger Jesu im Umfeld dieser Gemeinden exponentiell steigen – aber das ist leider nicht festzustellen. Wie kommt das? Was läuft falsch? Wo müssen wir dringend umdenken? Welche Aufgabe haben wir als Gemeinde Jesu?

Noch eine wichtige Anmerkung: Hier geht es nicht um den Mitgliederschwund der großen Kirchen. Darüber wird genug geschrieben und diskutiert. Das ist nicht mein Anliegen, zumal es mir in diesem Post um wiedergeborene Christen, also um Nachfolger Jesu geht.

Gibt Jesus selbst einen R-Faktor vor?

Schauen wir doch mal, was Jesus selbst sagt.

Erst einmal sagt Jesus, dass die Ernte reif ist. Und das nicht erst in den letzten Jahren, sondern bereits seit 2000 Jahren. Seit Jahrzehnten reden wir davon, gibt es Prophetien, dass eine große Endzeiternte eingebracht werden wird. Vermutlich sind wir uns darin einig, dass wir am Ende der Zeit angekommen sind. Dass Jesus bald wiederkommen wird. Und hierzu macht Jesus konkrete Aussagen:

Matth. 24:40 – Dann werden zwei auf dem Feld sein, der eine wird genommen, der andere wird zurückgelassen. Zwei werden auf der Mühle mahlen; der eine wird genommen, un die andere wird zurückgelassen.

Lk. 17:34-36 – Ich sage euch: In dieser Nacht werden zwei in einem Bett sein; der eine wird genommen und der andere wird zurückgelassen werden. Zwei werden miteinander mahlen; die eine wird genommen, die andere wird zurückgelassen werden. Zwei werden auf dem Feld sein; der eine wird genommen und der andere wird zurückgelassen werden.

Oder nehmen wir das Gleichnis der 10 Jungfrauen – 5 bleiben draußen, kommen also nicht zur Hochzeit – aber und das ist für mich die wichtigere Zahl in diesem Kontext. Fünf kommen zur Hochzeit – nehmen am Hochzeitsmahl teil!

Wenn man diese Worte Jesu ernst nimmt und nicht nur als Metaphern sieht, muss man davon ausgehen, dass Gottes Plan von einer Quote von mind. 50 % der Weltbevölkerung ausgeht. Heute würde das bedeuten, das rund 4 Milliarden Menschen Nachfolger Jesu wären. Jesus will, dass alle Menschen gerettet werden und nicht nur eine Handvoll. Und ganz praktisch und damit besser zu verstehen: Jeder zweite Arbeitskollege, jeder zweiter Nachbarn, jeder zweite … – sie sollen mit uns gemeinsam im Reich Gottes leben! Das ist Gottes Plan, dafür kam Jesus, dafür lebte er auf dieser Welt und letztlich starb er genau dafür.

Ich denke, dass diese Bibelverse die Dringlichkeit klarmachen und damit der R-Faktor im Kontext der Gemeinde Jesu eine ganz besondere Bedeutung bekommt, über die es sich lohnt, nachzudenken. Gleichzeitig müssen wir aber erkennen, dass wir nicht mehr so weiter machen können, wie wir es in den letzten Hunderten von Jahren getan haben.

Wenn wir wirklich 50 % der Weltbevölkerung zu Jüngern machen wollen und sollen, müssen wir fast alles überdenken, was wir heute tun. Wenn der R-Faktor unter 1 ist, bedeutet das in letzter Konsequenz, dass das Ziel nie erreicht werden wird. Hier können wir wirklich viel aus der Corona-Zeit lernen. Wir wollen das Gegenteil erreichen von dem, was während der Corona-Zeit das Ziel war. Wir wollen alle Menschen mit Jesus infizieren, sie zu einem Leben im Reich Gottes als Nachfolger Jesu einladen. Das funktioniert nicht, wenn wir uns in unsere schönen Gemeindehäuser und Kirchen zurückziehen, uns in Quarantäne begeben. Denn Rückzug bedeutet sinkender R-Wert. Und um dieses Ziel zu erreichen reicht es auch nicht aus, unsere Nachbarn, Freunde etc. zu unseren Gottesdiensten und Veranstaltungen einzuladen. Eigentlich müssen wir von diesem Konzept sogar vollkommen weg kommen. Der Auftrag Jesu an seiner Jünger lautet: „Geht hin in alle Welt“ – er sagte nicht: „Ladet alle Menschen zu euren sonntäglichen Gottesdiensten und Veranstaltungen ein. Dort sollen sie einen Geschmack davon bekommen, wie cool es ist, mit mir unterwegs zu sein.“ Er sprach nichts von Events, von Programmen, von Marketing. Sein Konzept war viel einfacher und letztlich lebte er es drei Jahre mit seinen Jüngern vor.

Jesu Beispiel und Auftrag war ebenso klar wie es einfach war: Lebt gemeinsam als meine Nachfolger. Steht für einander ein, liebt euch, ermuntert euch zu einem verbindlichen Leben, helft einander, unterstützt einander, kümmert euch umeinander. Niemand soll in der Gemeinde Not leiden, habt alles gemeinsam. Von dieser besonderen Art des Zusammenlebens wird solch eine Anziehungskraft ausgehen, dass immer mehr Menschen das auch haben wollen. Daran wird man erkennen, dass ihr meine Jünger seid.

Und das geht nur, wenn wir für die Welt sichtbar sind, also in der Welt sind. Möglichst viele Beziehungen in die Welt haben, zu Menschen, die Jesus noch nicht kennen. Die noch nicht erlebt haben, was es heißt, im Reich Gottes zu leben. Jesus als Erretter, Erlöser und König zu kennen. Wie wollen wir Botschafter an Christi statt sein, wenn wir keinen Kontakt zu Menschen außerhalb des Königreichs haben.

Ich finde es verblüffend, dass dort, wo die Gemeinde Jesu, wo jeder einzelne Jünger verfolgt wird, dass dort die Gemeinde teilweise mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit wächst – und das ganz ohne Events und Programme.

Es wird Zeit, dass wir anfangen unser persönliches Leben und unser Gemeindeleben, unser Miteinander zu resetten und ganz neu starten. Die jetzt laufenden Programme sind falsch programmiert und werden immer wieder nur zu den gleichen traurigen Ergebnissen führen, die wir in der Vergangenheit erreicht haben und niemals dazu führen, dass zum einen alle Menschen das Evangelium vom Reich Gottes gehört haben und dann auch darauf reagieren können. Vor allem wird es auch nie möglich sein, die so oft herbeigeredete große Endzeiternte aufzufangen, sprich diese Menschen zu Jüngern zu machen, die wiederum andere jüngern. Das geht nur, wenn wir anfangen, als Gemeinde im kleinen so zu leben, wie wir es in der Bibel sehen. Wenn wir anfangen, andere Menschen an unserem Leben teilhaben zu lassen, sodass sie Lust und eine Sehnsucht nach diesem Leben zu bekommen.

Kommen wir nun zu Corona zurück. In der Zeit von Corona kam es zu einem Stop der „normalen“ Gemeindearbeit. Plötzlich waren keine Events mehr möglich, die Programme funktionierten nicht mehr. Aber anstatt Gott zu fragen, ob er dieses Stop nicht wollte, erfand man sich online mal eben neu. Die Events und Veranstaltungen wurden gestreamt, um möglichst viele bei der Stange zu halten. Statt die Menschen zu ermuntern, mehr persönliche Zeit mit Gott zu verbringen, sich in kleinen Kreisen zu treffen und sich auszutauschen gab es plötzlich morgens die „Stille Zeit“ im Internet, der Hauptpastor der Gemeinde persönlich hatte jeden Morgen ein Wort für seine Leute. Letztlich wurden so Menschen an Menschen gebunden und nicht an Jesus! Trotz aller Verbote war aber das Treffen in kleinen Kreisen bis auf wenige Ausnahmen eigentlich jederzeit möglich und wäre eine große Chance gewesen.

Unsere Nachbarn waren offen wie nie für das Evangelium, sie hatten Angst und wir hätten ihnen Zuversicht und Mut geben können. Gleiches gilt auch jetzt. Die Angst ist da – vor einem Krieg, davor, dass das Geld nicht reicht oder den Arbeitsplatz zu verlieren.

Ich bin dankbar für die vielen kleinen Kreise, die sich während Corona gefunden haben und die Chance genutzt haben. Es ist nie zu spät für ein Reset, einen Neustart. Wenn du dabei Unterstützung brauchst, stehen wir dir gerne zur Verfügung. Nutze einfach das Kontaktformular und melde dich bei uns.

Und zum Schluss noch ein spannender Gedanke zur Selbstreflexion: In der Bibel heißt es, dass alles erschüttert werden muss, damit der Unerschütterliche bleibt / sichtbar wird. Genau an diesem Punkt stehen wir. Wird das Unerschütterliche, nämlich das Reich Gottes durch mich, durch dich, durch uns sichtbar? Wenn nein, wie kann ich das ganz praktisch ändern?

Arthur Hoß
Arthur Hoß
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