Im Zuge meiner Tätigkeit als Coach habe ich vor einigen Wochen ein Buch zum Thema „Jesus als Coach“ gelesen. In diesem Buch geht es darum zu schauen, ob und was man von Jesus für die tägliche Coaching-Praxis lernen kann. Das Buch ist sehr interessant und bestätigt vieles von dem, was ich in der normalen Coaching-Ausbildung gelernt habe. (Jesus als Coach – Lebensgestaltung nach biblischen Grundsätzen | Autorin: Sophie Soria)
In diesem Buch wurde in einem Kapitel eine bekannte Bibelstelle zitiert, die bei Beachtung im normalen Arbeitsumfeld schon viele Probleme verhindern würde.
Es geht um folgende Bibelstelle:
Ihr aber sollt euch nicht ›Rabbi‹ nennen lassen, denn nur einer ist euer Meister, und ihr alle seid Brüder.Auch sollt ihr niemand hier auf der Erde ›Vater‹ nennen, denn nur einer ist euer Vater, der Vater im Himmel.Ihr sollt euch auch nicht ›Lehrer‹ nennen lassen, denn nur einer ist euer Lehrer: Christus. (Matth. 23, 8-10 NGÜ)
Interessant ist, dass dieses Thema in vielen Firmen inzwischen zum Thema geworden ist. Immer mehr wird auf Titel verzichtet, selbst Dr. -Titel werden häufig nicht mehr verwendet. Man hat beobachtet, dass dadurch das Miteinander in Unternehmen weniger konfliktbeladen sein kann, weil mehr auf Augenhöhe miteinander kommuniziert wird.
Bei meinen Gedanken zu diesem Thema geht es mir um die Anrede, um den Titel und nicht um den Dienst, das Amt, das ausgeübt wird.
In vielen Gemeinden erlebe ich im Moment aber gerade das Gegenteil. Immer häufiger werden hier Pastoren mit Pastor Willi, Pastor Arthur etc. angesprochen. Auch in der Gemeinde, in der ich Pastor war, wurde das so praktiziert. Von Beginn an hatte ich damit meine Probleme, denn es geschah genau das, was ich nicht wollte. Zumal Gott immer wieder klar über diesen Text zu mir gesprochen und die Warnung, die in dem Text steht, hervorgehoben hatte.
Was geschieht eigentlich, wenn wir unsere Pastoren, Lehrer, Propheten etc. mit einem Titel ansprechen? Wem ist damit gedient? Warum wird das gemacht?
Gerne wird hier argumentiert, dass Leiter ja eine besondere Verantwortung haben, dass Personen, die lehren, besonders geehrt werden sollen. Das stimmt alles – aber müssen sie deswegen durch einen Titel hervorgehoben werden? Und was heißt das eigentlich, jemanden zu ehren?
In der Regel erzeugt die Verwendung von Titeln nur eines – nämlich einen Abstand zwischen dem „normalen“ Gläubigen und der Leitung. Der normale Umgang ist in dem Moment schon gestört. Zumindest habe ich das immer so empfunden. Ich wollte nichts Besonderes sein, ich wollte nicht über Menschen stehen – ich wollte Menschen dienen. Aber durch den Titel geschah genau das Umgekehrte. Eine Veränderung im Miteinander vor und nach meiner Einsetzung als Pastor war klar zu spüren und zu beobachten. Der Titel sorgte für Abstand (das ist sicherlich auch von manchen Leiter/innen so gewollt). Aber es widerspricht ganz klar den Worten von Jesus.
Stellt sich die Frage, warum Jesus diese Warnung so klar ausgesprochen hat. Jesus beantwortet auch diese Frage:
- Keiner ist größer als der Andere – ihr seid alle Brüder und Schwester
- Ihr habt nur einen (geistlichen) Vater – und das ist unser Vater im Himmel
- Ihr habt nur einen Lehrer – und das ist Jesus
Es ist sofort zu erkennen, dass wir uns nicht auf Menschen ausrichten und nach ihnen richten sollen, sondern nach dem, was der Vater und Jesus uns sagen. Wir können und sollen uns untereinander als Brüder und Schwester helfen, unterstützen, ermutigen, ermahnen.
Am deutlichsten wird dieses Problem, wenn ein Mensch als „Heiligen Vater“ angesprochen werden soll, wie es in der römisch-katholischen Kirche bei dem Papst geschieht. Wie kann es sein, dass so ein klares Wort von Jesus so uminterpretiert wird? Beim Papst geht es sogar noch weiter – er sieht sich selbst als Stellvertreter Gottes auf Erden – welch eine Anmaßung!
Durch Jesu stellvertretenden Tod und Auferstehung und unseren Glauben an Jesus können wir direkt zum Vater kommen und ihn Abba – also nicht nur Vater, sondern liebender, liebevoller Papa – nennen.
Jetzt fällt uns das natürlich sehr leicht, uns über den Papst aufzuregen. Aber sind wir denn besser, wenn wir unsere Leiter mit Pastor, Lehrer etc. ansprechen lassen? Nein, denn Jesus erließ dieses Gebot, damit wir nicht in die Falle des Angesehenseins tappen. Er wollte und will uns davor bewahren, dass wir denken, dass andere Personen besser oder mehr wert seien oder dass man sich als Pastor besser fühlt. Und besser sein, heißt hier auch, fehlerloser sein, wie der normale wiedergeborene Christ. Wie viele Pastoren sind genau an dieser Stelle zerbrochen und predigen sich jeden Sonntag ihre Heilsgewissheit neu zu – sie wissen genau, dass sie genauso Fehler begehen, sich falsch verhalten etc. Aber der Pastorentitel verlangt nunmal Perfektion. (Hier stellt sich noch die Frage, ob die Bibel jemals einen Pastor als Leiter der Gemeinde vorgesehen hat – hierzu aber in einem gesonderten Post zu einem späteren Zeitpunkt mehr.)
Jesus will Leiter durch seine Warnung davor bewahren, in die Falle des Stolzes zu tappen und letztlich als Leiter irgendwann ein einsames Leben zu führen. Dieses Gebot ist also, wie bei Jesu Geboten oft, ein Schutz für die Leiter!
Es sei die Frage erlaubt, ob alle die Leiter, die in den letzten Jahren in Probleme gekommen sind und deswegen ihren Dienst nicht mehr ausüben konnten, genauso gescheitert wären, wenn man sie gar nicht erst in die „Stellung“ eines Pastors gehoben hätte, sondern sie als Geschwister wahrgenommen, angenommen und geliebt hätte, die den Dienst eines Pastors gemäß dem fünffältigen Dienst ausüben? Ein ehemaliger Leiter in den USA hat das mal sinngemäß so formuliert: Je weiter ich nach oben kam, desto einsamer wurde es für mich. Normale Gespräche auf Augenhöhe waren nicht mehr möglich. Mit wem hätte er sich denn austauschen sollen, aus seiner Sicht gab es keinen. Denn immer bestand die Gefahr, seine Stellung, seine Position, sein Ansehen aufs Spiel zu setzen. Wie schade – aber hier wird sehr klar, warum Jesus diese Warnung so deutlich ausspricht.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die meisten Leiter dienende Leiter sein wollen. Warum macht man sich dann mit einem Titel das Leben so schwer?
Lasst uns dazu übergehen, einander wie in einer Familie mit dem Vornamen anzureden, je nach Kultur vielleicht noch mit Bruder und Schwester. Titel haben jedenfalls im Leib Christi nichts zu suchen. Wir leben unter der Königsherrschaft Gottes im Reich Gottes – nur einem gebührt die Ehre und Anbetung!